Handlungsempfehlungen: Mediale Repräsentation

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Aus dem Bericht der Unabhängigen Kommission Antiziganismus mit dem Titel “ Perspektivwechsel. Nachholende Gerechtigkeit. Partizipation.“ Beauftragt durch das Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat.

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk- und Fernsehanstalten

Die Unabhängige Kommission Antiziganismus empfiehlt … • die Selbstorganisationen der Roma und Sinti an den Verwaltungs und Aufsichtsgremien und an der Programmgestaltung der öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten zu beteiligen. Eine besondere Verantwortung für die Bekämpfung des Antiziganismus fällt den Auswahlgremien für die Vergabe von Preisen und Fördergeldern zu. Insbesondere müssen überzeugende künstlerische und journalistische Arbeiten zur Dekonstruktion antiziganistischer Wahrnehmungs- und Denkmuster stärker gewürdigt werden. Dringend erforderlich ist zudem die Etablierung und Verstetigung eines kritischen Austausches mit den

Selbstorganisationen. Als Minimalforderung für die Beteiligung bei der Programmgestaltung gilt ein regelmäßig erscheinendes Zeitfenster in den öffentlich-rechtlichen Programmen mit einer Berichterstattung über ihre Situation und ihre Anliegen sowie über ihre kulturellen Aktivitäten. Wenn es Bestrebungen von Selbstorganisationen gibt, eigene Formate wie Presseagenturen, Sender oder Publikationen zu etablieren, sind n, sind diese finanziell und ideell zu fördern.

Redaktionen/Verantwortliche in Medienunternehmen/Medienschaffende

Die Unabhängige Kommission Antiziganismus empfiehlt …

• Institutionen und Organisationen wie Presserat, Deutscher Journalisten Verband, Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union sowie Medienunternehmen und Redaktionen in einem Prozess kritischer Selbstvergewisserung, der die Ergebnisse antiziganismuskritischer Forschung einbezieht, ethische Richtlinien zur Bearbeitung dieses Themenfeldes und Beispiele für ‚good practice‘ zu erarbeiten. Sie sollten dazu in einen regelmäßigen Austauschprozess mit den Selbstorganisationen treten. Eine wichtige Voraussetzung dafür bildet die Aufnahme des Themas in die Lehr- und Ausbildungspläne der Studiengänge für Journalismus und für Medien und Kommunikation an den Universitäten und Hochschulen und an den Schulen und Hochschulen für Journalismus. Es sollte aber auch ein regelmäßiger Bestandteil der Fortbildungsprogramme für Journalist_innen sein.

• die Richtlinie 12.1 des deutschen Pressekodex zur Benennung der Herkunft von Straftätern zu präzisieren. Sie ist in ihrer aktuellen Form wirkungslos. Die Nennung von Minderheitenzugehörigkeit bei der Berichterstattung über Straftaten darf nur erfolgen, wenn ein „zwingender Sachbezug“ besteht. Auch die Praxis-Leitsätze, die in ihrer derzeitigen Form sogar eine ethnisierende Berichterstattung nahelegen, sollten dringend überarbeitet werden. Darüber hinaus sollte die Richtlinie ergänzt werden, um kollektive Vorwürfe von Straftaten grundsätzlich auszuschließen.

Verlagswesen

Die Unabhängige Kommission Antiziganismus empfiehlt …

• grundsätzlich bei Neuauflagen von historischen Werken der Literatur – insbesondere der Kinder- und Jugendliteratur –, die antiziganistische Motive tradieren oder antiziganistische Figuren präsentieren, den Leser_innen geeignete Mittel zur Dekonstruktion und Aufklärung an die Hand zu geben. Dies kann, abhängig vom jeweiligen einzelnen Werk, auf unterschiedliche Weise geschehen. Unverzichtbar sind eine kritische historische

Kontextualisierung und der Hinweis auf eine berechtigte Änderung des Sprachgebrauchs in der Gegenwart. Eine geeignete Textform ist zum Beispiel ein Vor- bzw. Nachwort.

Bildagenturen und -archive

Die Unabhängige Kommission Antiziganismus empfiehlt …

• kommerziellen wie öffentlichen Bildagenturen und -archiven, eine Selbstverpflichtung einzugehen, ihre Bestände zu überarbeiten und bei jeder Genehmigung zur Wiedergabe Bilder kritisch zu prüfen. Hierbei ist insbesondere ein mögliches fehlendes Einverständnis der Gezeigten von Relevanz. Ein Perspektivwechsel in der medialen Repräsentation von Roma und Sinti bedarf eines grundsätzlichen Bruchs mit den eingeübten stereotypisierenden, rassistische Einstellungen bedienenden Sehweisen. Dies gilt insbesondere für die Verwendung von Bildmaterial, auf das in der journalistischen und künstlerischen Arbeit zurückgegriffen, aber auch für das, was jeweils neu produziert wird.

• den Aufbau alternativer Foto-Pools in Zusammenarbeit von Fotograf_innen mit Selbstorganisationen der Minderheit. Dies kann Journalist_innen bei ihrer Arbeit dahingehend unterstützen, diskriminierendes Bildmaterial nicht zu reproduzieren. Selbstorganisationen der Roma und Sinti sollten beim Aufbau solcher Foto-Pools – die auch Hintergrundinformationen anbieten oder Interviewpartner_innen zu spezifischen Themen vermitteln können – mit öffentlichen Mitteln unterstützt werden.

Partizipation und Nachwuchsförderung

Die Unabhängige Kommission Antiziganismus empfiehlt …

• umgehend wirksame Maßnahmen zur stärkeren Selbstrepräsentation von Roma und Sinti im Medienbereich zu ergreifen. Das kann durch spezielle Förderprogramme und Stipendien für die einschlägigen Studiengänge für Journalismus und für Medien und Kommunikation, durch Schaffung von Praktika-Plätzen in den öffentlich-rechtlichen Medien sowie durch Ausschreibungen für bestimmte Themen oder Formate umgesetzt werden.

• journalistische, literarische oder künstlerische Arbeiten von Roma und Sinti systematisch zu fördern. Trotz der Existenz einer Fülle einschlägiger Stiftungen und Stipendien fehlt bisher eine systematische Förderung journalistischer, literarischer oder künstlerischer Arbeiten von Roma und Sinti vollständig. Dazu zählen auch die Drucklegung und Publikation von Texten (sowohl in deutscher Sprache als auch zweisprachig [Deutsch-Romanes]), die Ausstellung oder Förderung von Werken.

Wir haben Genderungen durch die Volksbezeichnung „Roma und Sinti“ ersetzt. Zur Begründung:

  • Es wird auch nicht im Ursprungsbericht überall gendergerecht formuliert.
  • Der Bericht weist auf die kontroverse Diskussion zur Genderung hin.
  • Wir möchten als Volk wahrgenommen werden. Als Individuen kann uns jeder gerne in unserer Vielfalt kennenlernen.
  • Wenn es wirklich konsequent um Genderung geht, müsste man auch „Franzosen und Französinnen“ als „Femme et Homme“ formulieren. Bitte verstehen Sie diese Absurdität.
  • Wir bevorzugen generell die Verwendung einer geschlechtsneutralen Form in der Sprache des Romanes.