Aus dem Bericht der Unabhängigen Kommission Antiziganismus mit dem Titel “ Perspektivwechsel. Nachholende Gerechtigkeit. Partizipation.“ Beauftragt durch das Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat.
Die Unabhängige Kommission Antiziganismus empfiehlt …
• der Bundesregierung, den von den Selbstorganisationen der Roma und Sinti und den Menschenrechtsgremien der UN und der EU seit langem als besonders besorgniserregend identifizierten Sachverhalt des institutionellen Rassismus/Antiziganismus anzuerkennen und entschieden für seine Überwindung einzutreten.
• den politisch Verantwortlichen auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene, einen grundlegenden Perspektivwechsel in den Handlungskonzepten zum Umgang mit der EU-Binnenmigration weg von Abwehr und Segregation hin zu Fairness und Gerechtigkeit zu vollziehen. Dazu gehört auch die partizipative Einbeziehung der Menschen, um die es geht, und die Hinzunahme rassismuskritischer Expertise bei der Entwicklung kommunaler Handlungskonzepte der Integration. Migration ist als Normalfall zu verstehen und den in der gesellschaftlichen Hierarchie am untersten Ende stehenden Menschen ist der größtmögliche Ausgleich von Nachteilen zu gewährleisten.
• Bildungsarbeit gegen Antiziganismus/ Rassismus gegen Roma und Sinti sowie Antidiskriminierungstrainings und Schulungen zum europäischen Recht in staatlichen und kommunalen Verwaltungen wie Sozial-, Jugend-, Gesundheits- und Stadtplanungsämtern und Schul- und Kulturverwaltungen. • eine Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), die den Sachverhalt der institutionellen Diskriminierung umfassend berücksichtigt und ein Verbandsklagerecht einführt. Der Sachverhalt der institutionellen Diskriminierung wird im AGG bislang nur unzureichend berücksichtigt. Hierunter fallen auch die Diskriminierungstatbestände im Kontakt zu Leistungs-, Ordnungs- und Sozialbehörden, Jugend- und Stadtplanungsämtern und beim Zugang zum Bildungs- und Gesundheitssystem. Zudem erschwert das Fehlen eines
Verbandsklagerechts Interventionen, wenn die von Diskriminierung Betroffenen selbst keine rechtlichen Schritte einleiten.1038
• ein rassismuskritisches Monitoring behördlicher Praktiken. Zu empfehlen ist die regelmäßige Überprüfung der. 8. Institutioneller Antiziganismus/Rassismus gegen Roma und Sinti269 Verfahrenswege in der Bewilligungsprüfung durch eine unabhängig agierende Stabsstelle für organisationsinterne Prüfungen und einschlägige Beratungstätigkeit.1039
• umfassende Beratung und Unterstützung bei der Wohnungssuche, mit dem Ziel der Förderung des Übergangs von der Notunterkunft zur eigenen Wohnung; Bereitstellung von menschenwürdigen Wohnungen für wohnungslose Menschen, insbesondere auch solche, die für Familien geeignet und zugänglich für Menschen ohne SGB II- oder SGB XII-Bezug sind.
• Sicherstellung des Zugangs zur gesetzlichen Krankenversicherung. Dies schließt die Aufhebung von Einschränkungen der Gesundheitsversorgung ein, die in einer Reihe von Richtlinien, Gesetzen und Grundsätzen verankert sind und von denen insbesondere Roma aus Bulgarien und Rumänien und dem Westbalkan überdurchschnittlich betroffen sind.
• hochwertige Informationen über Arbeitnehmer_innen-Rechte. Gewerkschaften sollten für Arbeitnehmer_ innen im Niedriglohnbereich flächendeckende Aufklärungskampagnen über Arbeitsrechte durchführen; generell sollten den Betroffenen bessere Informationen über ihre Rechte zur Verfügung gestellt werden.
• die hochwertige Förderung praktischer Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung sowie die Institutionalisierung arbeitsrechtlicher Beratungsstellen.
• eine segregierende Beschulung von Kindern und Jugendlichen in sogenannten „Willkommensklassen“, „Auffangklassen“, „Sprachlernklassen“ etc. zu vermeiden.
• den Sachverhalt des institutionellen Rassismus/Antiziganismus in der Forschungsförderung als Schwerpunkt zu berücksichtigen. Dazu gehören Recherche- und Forschungsprojekte zu institutionellem Rassismus in staatlichen Bereichen, zum Beispiel den Leistungs-, Ordnungs- und Sozialbehörden, der Polizei, der Sozialen Arbeit, der medizinischen Versorgung und dem Bildungssystem; dazu gehören auch ein regelmäßiges Equality-Data Monitoring und empirische Analysen zu institutionellen und strukturellen Diskriminierungsmechanismen.
Wir haben Genderungen durch die Volksbezeichnung „Roma und Sinti“ ersetzt. Zur Begründung:
- Es wird auch nicht im Ursprungsbericht überall gendergerecht formuliert.
- Der Bericht weist auf die kontroverse Diskussion zur Genderung hin.
- Wir möchten als Volk wahrgenommen werden. Als Individuen kann uns jeder gerne in unserer Vielfalt kennenlernen.
- Wenn es wirklich konsequent um Genderung geht, müsste man auch „Franzosen und Französinnen“ als „Femme et Homme“ formulieren. Bitte verstehen Sie diese Absurdität.
- Wir bevorzugen generell die Verwendung einer geschlechtsneutralen Form in der Sprache des Romanes.